Tauchunfall in 90 m Tiefe

Im Jahr 2012 ereignete sich in der Nordsee ein schwerer Unfall während
des Einsatzes eines professionellen Sättigungstauchers in 90 Meter Tiefe.
Das dynamische Positionierungssystem des Taucherunterstützungsschiffs war abgestürzt
und das Schiff vom Einsatzort weg gedriftet, während sich der Versorgungsschlauch
eines Tauchers an einer Stahlplattform verfing und durchtrennt wurde. Nach 33 Minuten
wurde er in die Taucherglocke gerettet, ohne offensichtliche neurologische Schäden
aufzuweisen. Im Jahr 2019 wurde in den Medien und in einem späteren Dokumentarfilm
suggeriert, dass ein Wunder geschehen sei, um das Überleben des Tauchers zu ermöglichen, nachdem sein Atemgasvorrat auf nur fünf Minuten begrenzt war. Auf der Grundlage der vorhandenen Daten und von Telefongesprächen mit dem betroffenen Taucher (kurz Dc) wird in diesem Fallbericht versucht, zu rekonstruieren, wie Dc überleben konnte, nachdem er in 90 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund von Atemgas, Warmwasser, Licht und Kommunikation abgeschnitten war. Dc trug Bail-out-Heliox (86/14) in zwei Flaschen (2 x 12 l x 300 bar = 7.200 l) mit sich. Die Berechnung des über die Zeit variierenden Atemgasverbrauchs von Dc pro Minute ergab, dass sowohl die abnehmende Viskosität des Heliumgemisches als auch der druckbedingte Anstieg der Viskosität keine Atemgaslücke aufwiesen.
Aufgrund des beträchtlichen respiratorischen Wärmeverlustes wurde die Kerntemperatur
nach der Erholung in der Taucherglocke auf 28,8 Grad bis 27,2 Grad Celsius berechnet. In
Übereinstimmung mit der Literatur würden solche Werte mit Bewusstseinsstörungen bzw.
-verlust einhergehen. Die Verlegung von Dc auf der Bohrplattform mit Hilfe eines ferngesteuerten Fahrzeugs (ROV), der Transport des Opfers zur Taucherglocke und die anschließende Versorgung in der Überdruckkammer sind als vorbildlich anzusehen. Wir kommen zu dem Schluss, dass das gesunde Überleben von Dc auf der Grundlage rationaler Argumente und verfügbarer Literaturdaten kein Wunder ist, da es anhand zuverlässiger Daten überzeugend erklärt werden kann…

UNSER AUTORENTEAM
Dr. Sven Dreyer,
HBOT, Universitäts-Klinikum Düsseldorf
Prof. Dr. Andreas Deussen,
Physioloisches Institut, TU Dresden
Dr. Dietmar Berndt,
Tauchausrüstung-Unfall-Ermittlung
& Technik-Bewertung, Stutensee
Prof. Dr. Jochen D. Schipke,
FG Experimetelle Chirurgie,
Universitäts-Klinikum Düsseldorf

mehr dazu in divemaster #115

This entry was posted in Aktuellseite - neue Beiträge, Inhalt115, Tec-Tauchen, Wissenschaft & Medizin. Bookmark the permalink.