Page 11 - divemaster Ausgabe 114 - Okt/Nov/Dez 2022
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den vielen ungewohnten Schwimmkilometern   tung Lindau, wo ich zum letzten Mal auf das
                                               und es steht eine längere Tour, vorbei an der   SWR Team treffe und wir einen Beitrag über
                                               Insel Mainau, nach Dingesdorf an. Ich habe   Lindau, das Venedig des Bodensees machen.
                                               Zweifel, ob ich die Etappe packe, wenn doch,   Richtig hart wird es auf dem letzten Teil meiner
                                               wäre ich guter Dinge, wenn nicht ist eigentlich   schwimmenden Bodenseeumrundung, wenn
                                               schon Schluss. Im Wasser läuft aber alles gut   es nach Bregenz und von dort ins Rheindelta
                                               und ich bin froh, die erste Krise überstanden zu   um Rohrspitz und Rohrschach geht.
                                                                   haben und gestärkt   Das Wetter unangenehm, die Temperaturen
                                                                       daraus her-  eiskalt, stürmische Böen und auch das Wasser
                                                                          vor zu   kommt mir jeden Tag kälter vor. In Bregenz
                                                                             ge-   säuft mein Zelt komplett ab, alles darin ist
                                                                                   nass. Leider ist die Sicht an Land wie im
                                                                                   Wasser sehr schlecht. Der wolkenverhangenen
           MEIN TAGEBUCH:                                                          Himmel verhindert den Blick auf die Berge, der
                                                                                   Rheinzufluss und das schlechte Wetter machen
                                                                                   die Sicht im Uferbereich sehr schlecht.
           DIE ERSTEN 50 KM                                                        Bereits zu Beginn des Tages, wenn ich ins
           Meine Tour beginnt bei bestem Wetter. Die                               Wasser gehe, friere ich, da ich die Nacht im
           Sonne strahlt und ich schwimme mit dem                                  nassen Schlafsack im nassen Zelt verbracht
           guten Gefühl zur richtigen Zeit am richtigen Ort                        habe. Jede Etappe wird zu einer Qual und ich
           zu sein. Ich genieße es, im Wasser zu sein und                          bin froh, wenn ich am ersten Oktober meine
           so ziehe ich gerade die erste Etappe ordentlich   hen.                  Leidenszeit beende. Ich müsste lügen, wenn
           in die Länge. Eigentlich sollte die nur kurz sein   Am Ende             ich behauptete, dass ich die einzelnen Etappen
           und zur Eingewöhnung dienen. Aber es läuft so   habe ich die ersten 50   noch genieße. Nein, ich versuche sie nur zu
           gut, dass ich direkt 10,7 Kilometer schaffe. So   Kilometer geschafft und der Wetterbericht be-  Ende zu bringen. Trotzdem erfreue ich mich
           kann es weitergehen.                lohnt mich mit der Aussicht auf Sonne.   immer noch an den dicken Karpfen, die vorbei
           Die Idee ist es, auf meiner Tour Menschen zu                            schwimmen oder am Krebs unter mir im Was-
           treffen, die am Bodensee wirken. Das sind   DIE ZWEITEN UND DRITTEN 50 KM   ser. Noch mehr aber freue ich mich auf eine
           Naturschützer, Archäologen, die Wasserschutz-  Auf den zweiten 50 km ist vor allem der Über-  heiße Dusche am Ende des Tages.
           polizei, Fischer, Gemüsebauern, Wasserwissen-  linger See hervorzuheben. Es gibt wenige so
           schaftler und Menschen, die sich um die vielen   schöne Strecken, wie die Etappe entlang der   DAS ZIEL
           Touristen kümmern. Dazu noch jede Menge   Marienschlucht von Wallhausen nach Bod-  Geschafft! Pünktlich am 1. Oktober bin ich zu-
           Wassersportler, aber für die ist kein eigener   mann: eine glatte Wand und eine tolle Sicht,   rück am Ausgangspunkt angekommen, habe
           Termin vorgesehen, die treffe ich ja jeden Tag   dazu die längste unbebaute Küstenlinie. Hinzu   Wind, Wellen, und vor allem Kälte und Nässe
           im See.                             kommt, dass die Marienschlucht für Wanderer   auch an Land beim Übernachten im Minizelt
           Der Bodensee ist mehr als nur ein See. Er   gesperrt ist.               getrotzt. Hier bekomme ich von Günter Bugl
           ist Rückzugsgebiet für Vögel und andere   Auch die Überlingen Küste ist fantastisch. Die   von Record Holders Republic (RHR) urkund-
           Tiere, Trinkwasserlieferant für fünf Millionen   Sichtweiten sind geschätzt 15 Meter. Auch hier   lich bestätigt,  dass ich als erster Mensch den
           Menschen in Deutschland, Sehnsuchtsort für   ist eine tolle Steilwand zu beobachten. Die   Bodensee schwimmend umrundet habe und
           Touristen und vieles, vieles mehr. Können diese   Fotografen Gerald Nowak und Matthias Sieb-  dazu 174.1 Kilometer geschwommen bin. Ich
           gegensätzlichen Interessenvertreter überein-  ert besuchen mich und machen tolle Bilder.   nehme aber noch viel mehr als eine Urkunde
           kommen? Das ist die Frage um die sich die   Nun ist es nicht mehr weit zur InterDive Messe   mit. Viele unvergessliche Eindrücke und Be-
           begleitende SWR Reportage dreht und das   nach Friedrichshafen. Mein Kumpel Maik   gegnungen und das Wissen, dass in unserer
           umrahmt mein eigenes Projekt der ersten   Priebe begleitet mich für einige Etappen. Auf   nächsten Nähe ein großartiges Gewässer ist, in
           offiziellen schwimmenden Umrundung des Bo-  der InterDive sind Vorträge geplant, außerdem   dem viele Abenteuer erlebt werden können.
           densees. Und das Ganze ohne Support, da ich   erhalte ich dort den DIWA Award für meine
           meine Habseligkeiten in meinem Laketrekking   bisherigen Leistungen. Vom Bodenseeprojekt
           Rucksack hinter mir her ziehe.      wusste zum Zeitpunkt der Award Vergabe
           Als ich in Kreuzlingen an Land komme, spre-  noch niemand.
           chen mich sofort ein paar freundliche Schwei-  Kurz bevor wir Friedrichshafen erreichen, schaffe
           zer Badegäste an. Ich erkläre was ich tue und sie   ich meine magische Grenze von 100 Kilome-
           warnen mich vor einem Kälteeinbruch. Dieser   ter. Ich bin sehr froh darüber, denn ich hatte
           kommt tatsächlich und erwischt mich, natürlich   Angst, dass ich mich bei der ganzen Werbung
           kalt. Die Tage sind nur noch 13 Grad warm,   für mein Projekt am Ende blamiere, weil ich
           die Nächte nur noch vier Grad und dazu noch   bereits auf der ersten Etappe merke, dass mir
           Regen. Die kommenden Tage bringen die erste   die Kraft ausgeht. Ich denke nach 100 ge-
           Krise. Nachdem ich den Untersee umrundet   schwommenen Kilometern blamiere ich mich
           und gemeinsam mit dem SWR sowohl die Insel   nun nicht mehr.
           Reichenau als auch das Wollmatinger Ried be-  Nach der InterDive geht es ganz normal weiter
           sucht hatte, wandere ich ausnahmsweise den   und wir schwimmen nach Langenargen, leider
           Rhein aufwärts, da dieser mit meinem schweren   bei schlechterem Wetter. Dort verlässt mich
           Rucksack nicht zu schwimmen gewesen wäre.   Maik wieder und für mich gehts alleine weiter.
           Außerdem bin ich die Strecke ja bereits einmal   Beim Institut für Seenforschung in Langen-
           (flussabwärts) geschwommen.         argen gehe ich an Bord des Forschungsschiffs
           In Konstanz habe ich eine schlechte Nacht   Kormoran und lasse mich über die Wasserqua-
           hinter mir. Das Zelt ist nass, ich bin müde von   lität informieren. Von dort geht es weiter Rich-




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