Page 78 - divemaster Ausgabe 115-JanFebMrz23-Testlesen
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historie
Tiefe. Ihr Besitzer Hidekazu Tanaka, ein Geschäftsmann aus Yoko-
hama, war ein begeisterter Sporttaucher. Er hatte sich ein System von
je zwei Meter untereinander gestaffelten, luftgefüllten Glasglocken
ausgedacht, damit auch Schwimmer, ohne Tauchgerät, in mehreren
Stationen zum Haus hinabtauchen konnten.
Der große Salon im Unterwasserhaus war elegant eingerichtet, mit
Hans Hass' Buch
bunten Polstermöbeln, einer Bar, einer Küche, es gab auch Telefon, "Ich fotografierte in
ja sogar Fernsehen. Die Versorgung mit Süßwasser und elektrischem den sieben Meeren"
Strom erfolgt durch Schläuche und Kabel von Land her. Die Luft im war das erste Buch über
Haus wurde durch einen, über dem Haus in einem Schiff befindlichen, die Unterwasserfotografie
Kompressor hinabgepumpt. in japanischer Sprache.
Hans Hass faszinierte die Idee, ein Fest in dieser Villa zu erleben - und
Tanaka organisierte ein solches für ihn. 16 japanische Taucher und
Taucherinnen nahmen daran teil. Hass konnte es im Detail filmen. Am Morgen nach dem Fest zog dann der banale Alltag auch in die
Essen und Kleider wurden über einen wasserdichten Container Unterwasser-Villa ein. Das Geschirr wurde abgewaschen, die Möbel
heruntergebracht: die Mädchen legten die Tauchgeräte ab, zogen sich geputzt - die Unterwasservilla-Reinemachefrau säuberte mit einem
Cocktailkleider an, es gab ein japanisches Abendessen und Diskussio- Staubsauger die Spannteppiche.
nen über das Thema „Zukunft im Meer“. Später wurde getanzt - und Für Hass bildete diese Nacht in der Unterwasservilla, und ebenso sein
man schlief auch unten, in der Villa. anschließender Besuch der Meeresstadt „Aquapolis“ ein Schlüssel-
Hass hatte einen japanischen Kameramann engagiert und filmte mit erlebnis. Immer wieder berichtete er später gerne davon, und wie sehr
ihm gemeinsam, wie diese Nacht auf dem Meeresboden verlief. Gegen doch die in der japanischen Tradition verwurzelte Innovationskultur
Mitternacht schwamm Hass mit der Unterwasserkamera hinaus in die auch die Meeresforschung bereichern würde. Noch heute ist Japan ein
Dunkelheit, näherte sich aus der Ferne den Fenstern, filmte, wie drin- Technologie-Pionier in vielerlei Sektoren.
nen Menschen tanzten und sich unterhielten. Fische sahen ebenfalls
von außen dem Schauspiel zu. Unter dem erhöhten Druck, der in der
Villa herrscht, schäumt Bier nicht - und eine gewisse Bewusstseinsver-
änderung findet ebenso statt. Hass kamen philosophische Gedanken:
Alles Leben stammt letztlich aus dem Meer - alle Landlebewesen sind
eigentlich Wasserlebewesen im Exil. Auch der Mensch. Jetzt kehrt er
zurück ins Meer, macht sich dort unten wieder heimisch, mit „künst-
lichen Kiemen“. Michael Jung
publizierte 1994 die Biografie
„Ein Leben lang auf Expedition“
(Verlag Stephanie Naglschmid, Stuttgart)
und leitet heute das Hans Hass Institut.
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