Page 17 - divemaster Ausgabe 106 - Okt/Nov/Dez 2020
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Selbst der Kopf des Eisbären zeigt klare Anpassungs-
merkmale an Kälte und Wasserleben. Die kleinen
Ohren geben wenig Wärme ab. Der Schädel auf
dem langgestreckten Hals ist schmal, das kräftige
Maul klein, die Schnauze schwarz.
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Obwohl Eisbären als kräftige Ausdauerschwimmer über Hunderte von Kilometern Schwimmen können,
sind sie für die Jagd im Wasser zu langsam und ihr Tauchvermögen (siehe auch Anmerkungen im Artikel
»Bäriges Abenteuer« ) ist im Vergleich zu den Beutetieren viel zu gering.
tauchen. Aber nur als Lauerjäger - und da liegt bei EINE JUNGE ART VOM AUSSTERBEN BEDROHT
Warmzeiten und schwindendem Packeis der Knack- Wie die seltenen Fossilfunde von Eisbären beweisen,
punkt - haben sie eine Chance auf ihre angestammte hat sich diese Art erst vor etwa 150.000 Jahren aus
Beute, trantriefende kalorienreiche Seehunde, Rob- Braunbären entwickelt und fortan bestens der Kälte Eisbären sind die perfekten Jäger der nordpolaren
ben, Define und Wale. Diese Beute erwischen sie nur angepasst weiter entwickelt. Auf Grund der engen Packeisbereiche. Sie erriechen ihre Beute unterm
auf Eisschollen am Rand oder am Atemloch lauernd, Verwandtschaft gab es auch immer wieder Misch- Eis, oder lauern an Atemlöchern und an Eisrändern.
durch zugreifendes Anspringen vom Rand oder vor- linge zwischen Braun- und Eisbären, doch waren Ihr Prankenhieb ist ebenso tödlich wie ihr Biss.
sichtiges Anschleichen eines auf dem Eis ruhenden diese nie sehr erfolgreich. Die klimatischen Verände-
Tieres. Ihr Geruch ist so fein, dass sie Robbenjunge rungen der letzten Jahrzehnte haben aber die Ver-
unter einer Eisschicht aufspüren und mit einem breitungsgebiete zweier bislang räumlich getrennter
Prankenhieb erlegen können. Es wird berichtet, dass Arten an den Grenzen zusammengeführt. Eisbären-
sie diese Beute dann als Köder am Atemloch nutzen, weibchen dringen bis zur Baumgrenze nach Süden
um dann die herbeieilende Mutter als ausgiebigere und Grizzlymännchen im Paarungstrieb bis über die
Beute zu schlagen. Aber der Not gehorchend sind Baumgrenze hinaus. Das Paarungsergebnis sind
Eisbären auch Alles- und sogar Aasfresser. Und dort, wohl fortpflanzungsfähige Pizzlys oder Groslars.
wo sie Industriefolger wurden, ist kein Abfalleimer Sollten sich zukünftig auch Eisbärenmännchen mit
vor ihnen sicher. Grizzlyweibchen paaren, würden die Eisbärenmerk-
male schnell durch die Hybriden verdrängt, die Eis-
PERFEKT ANGEPASST BIS INS DETAIL bären verschwinden.
Der massige Körper bietet ein ausgezeichnetes Volu-
men-/Oberflächenverhältnis, das vor Wärmeverlust
schützt. Selbst die Ohren sind kleiner als bei ande- In den Wintermonaten graben sich die Eisbären gro-
ren Bären. Die schwarze Haut der Eisbären absorbiert DR. FRIEDRICH ße Schlafhöhlen in steile Schneehänge, in denen die
Sonnenlicht und die hohlen Haare des dichten, gelb- NAGLSCHMID Weibchen auch ein bis zwei Junge gebären und in den
Prof. Dr. Hans Hass hat in
lich weißen Fells leiten das Sonnenlicht wie Lichtfal- ihm die Leidenschaft zum ersten Monaten von November bis März in der Höh-
len auf die Haut. Zudem sind diese Luft gefüllten Tauchen geweckt. le versorgen. Dabei verlieren die Jungmütter mehr
Haarröhren zusätzlich isolierend. Die Sohlen sind Als begeisterter Naturwis- als ein Drittel ihres Gewichts. Nach dem Verlassen
teilweise behaart, was die Sohlengänger zudem von senschaftler und Publizist der Höhle führen sie die Jungen ins Jagdrevier des
unten isoliert, aber auch vor dem Ausruschten auf gilt für ihn zu Land und zu Packeises. Männchen und nicht trächtige Weibchen
glattem Untergrund schützt und zusammen mit lan- Wasser: Erleben - Erfahren schlafen den Winter nicht durch, sondern legen Jagd-
gen Krallen sind sie sozusagen berg- und eissicher. - Erforschen - Erhalten. phasen ein und graben sich woanders erneut ein.
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