Page 48 - divemaster Ausgabe 114 - Okt/Nov/Dez 2022
P. 48
studienreise
Abenteuer Tauchen: Amphoren findet man im
Wrack der Christoforus nicht, dafür genügend
Relikte aus moderneren Zeiten.
TEXT:TIMO DERSCH Achtung, die engen Räume sind eine
FOTOS:TIMO DERSCH Herausforderung an die Tarierkünste!
hrfürchtig und still geht es auf dem Tauch- schiedlichen Typen von Amphoren, die das Schiff geladen hatte, ausei-
boot zu. Es sind die letzten Minuten vor dem nanderhalten kann. Die Form der Gefäße verrate, ob sie Öl oder Wein
Tauchgang. Ein großer Schritt, dann folgt der transportiert hätten. Auch die Inschriften würden Aufschluss geben. Die
„Anflug“ hinab zum Amphorenhaufen. Bereits Frage nach den Überresten des Schiffs selbst, erübrigt sich. Waren diese
nach ein paar Metern zeichnet er sich schemenhaft damals doch gänzlich aus Holz gebaut. Ein paar der Gefäße sind mitt-
im schwummrigen Licht ab, je weiter man hinab lerweile von Muränen bewohnt. An einer Ecke sieht man von Forschern
sinkt, desto deutlicher wird das gigantische Aus- abgestecktes Feld. Hier wurden unter den Amphoren Ausgrabungen ge-
maß: „Das müssen tausende sein“, denkt man sich, macht. Etwas abseits befindet sich ein weiterer Haufen mit Notizzetteln
während man langsam den Sinkflug mit ein wenig versehener Amphoren. Ein gigantischer Anblick, eine Zeitreise, und ein
Luft im BCD abbremst. Gerade noch hatte Tauch- sensationell aufregender Tauchgang.
guide Dias Menis zur Vorsicht gemahnt: „Ja nichts Was sich hier erleben lässt, war die letzten Jahrzehnte nicht selbst-
anfassen und immer zwei Meter Abstand zu den verständlich. An archäologischen Wracks in Griechenland herrschte
Amphoren halten.“ Das wird hier sogar überwacht. Tauchverbot – generell und ohne Ausnahme. „Doch warum sollen wir
An jeder Ecke des Haufens stehen Unterwasser- verstecken, was einen Großteil des Reizes unserer Gewässer ausmacht“,
Überwachungskameras. Das macht den Tauchgang sagt Menis. „Um die Stätten zu konservieren?“ Viel Erfolg hatte man da-
irgendwie noch mystischer. Ob die wohl funktio- mit in der Vergangenheit nicht. Immer wieder verschwanden Ampho-
nieren? „Oh ja“, wird Menis später sagen, „die Küs- ren von ihren Fundstätten, tauchten in Vorgärten oder Wohnzimmern
tenwache beobachtet ganz genau was wir hier unten auf. Der neue Konservierungsansatz der Regierung ist der Tourismus:
treiben.“ Das Konzept scheint zu funktionieren. Es „Vielleicht wird so weniger geräubert werden“, sagt Menis. „Wir können
überrascht, wie wenig Scherben und wie viele kom- das Tauchen regulieren und ein Bewusstsein bei Besuchern sowie Bevölke-
plett intakte Amphoren hier aufgebahrt in ihrer Ru- rung dafür schaffen, wie schützenswert unsere Kulturstätten sind.“
hestätte auf 22 Metern Tiefe liegen. Im Briefing hatte Fünf der Unterwasserstätten sollen insgesamt für die Öffentlichkeit zu-
Menis gerade noch erklärt, wie man die zwei unter- gänglich gemacht werden. Das erste Wrack, das eröffnet wurde, ist nach
48 | divemaster #114