Page 30 - divemaster Ausgabe 114 - Okt/Nov/Dez 2022
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medizin
TEXT & FOTOS:
DR. DR. PHILIPP STAHL
GRAFIK: STEPHANIE NAGLSCHMID
as Interesse an der Ausübung des Tauchsports ist in den ver-
gangenen zwei Jahrzehnten trotz bekannter Widrigkeiten in
den letzten zwei Jahren ungetrübt. Interessierte absolvieren
auch in höheren Lebensdekaden (ab dem 50. Lebensjahr) ei-
nen Tauchschein und die Freude an der Fortführung des Tauch-
sports bei zertifizierten Taucherinnen und Tauchern trotz vorbestehender
oder neu aufgetretener Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems besteht
fort. Diesbezüglich erreichen uns im Rahmen unserer tauchmedizinischen
Assistance-Tätigkeit täglich Anfragen hinsichtlich einer Tauchtauglichkeit
bei Erkrankungen des Herzens oder der Gefäße.
In diesem divemaster werden die häufigsten kardiovaskulären Vorerkran-
kungen im Kontext der Tauchtauglichkeit strukturiert besprochen, so dass
man nach der Lektüre dieses Beitrags einen Überblick über die möglichen
Risiken und Gefahren bei der Ausübung des Tauchsports mit kardiovasku-
lären Vorerkrankungen hat.
Abb. 1 Röntgenaufnahme des Brustkorbs. Frontalebene (a.p.-
Aufnahme). Man erkennt im linken Brustkorb (Patienten-links, rechts
DIE ARTERIELLE HYPERTONIE, im Bild) ein Aggregat zur kardialen Resynchronisations-Therapie mit
im Volksmund auch bekannt als Bluthochdruck ist eine der häufigsten Defibrillator-Funktion (CRT-D-System). Weiterhin ist die globale Ver-
Volkserkrankungen in Deutschland und Europa und betrifft über die Hälfte größerung des gesamten Herzens zu erkennen, was auf eine bereits
aller Über-50-Jährigen. Risikofaktoren stellen unter anderem salzreiche lang bestehende Herzerkrankung hindeutet (sog. Dilatative Kardio-
Ernährung, Nikotinkonsum, Übergewicht oder Diabetes mellitus dar, wo- myopathie).
durch wiederum das Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen und Schlag-
anfall steigt. Erhöhte Blutdruck-Werte bei Jüngeren bedürfen stets einer
Abklärung durch den Haus- oder im Verlauf durch den Facharzt. Gefahren Tauchen gegeben ist, beurteilen zu können. In der Regel werden Patien-
für Taucher durch Bluthochdruck gehen von Folgeerkrankungen bzw. den tinnen und Patienten mit Vorhofflimmern zur Prävention von vor allem
Folgen einer hypertensiven Entgleisung (Bluthochdruck-Krise) mit Sympto- Schlaganfällen antikoaguliert, das heißt, es werden sogenannte Blut-
men wie Kopfschmerzen, Schwindel, Nasenbluten und Luftnot aus. Weitere verdünner verordnet. Eine damit naturgemäß einhergehende erhöhte
Gefahren für den Taucher bei schlecht oder nicht therapiertem Bluthoch- Blutungsgefahr ist unter Wasser, wie an der Wasseroberfläche gleich zu
druck ergeben sich aus der Gefahr für ein Lungenödem. bewerten, das heißt vom Tauchen an sich geht keine erhöhte Blutungs-
Tauchtauglichkeit besteht bei stabil eingestelltem Blutdruck auf entspre- gefahr aus. Obacht sollte gegeben werden bei Tauchunternehmungen
chende, durch Leitlinien empfohlene Zielwerte, sei es durch medikamentöse in entlegene Gebiete, sei es zu Wasser oder zu Land, da hier bei even-
oder nicht medikamentöse Maßnahmen. Letztere, können Maßnahmen tuellen Verletzungen eine verzögerte Versorgung durch medizinisches
sein, wie Gewichtsabnahme, salzarme Kost und sportliche Betätigung und Fachpersonal bestehen kann. Behandlungsbedürftige tachykarde oder
sollten im Rahmen einer Tauchtauglichkeit frühestens drei Monate nach bradykarde Herzrhythmusstörungen, die klinisch nicht kontrolliert sind,
Erstdiagnose einer arteriellen Hypertonie reevaluiert werden, um die Effek- schließen eine Tauchtauglichkeit aus.
tivität der Blutdrucksenkung durch die entsprechenden Maßnahmen be-
urteilen zu können. Taucherinnen und Taucher, die eine hypertensive Herz- HERZINSUFFIZIENZ (HERZSCHWÄCHE)
krankheit aufgrund jahrelanger arterieller Hypertonie aufweisen, benötigen Die Herzinsuffizienz (Herzschwäche) ist immer ein Symptom einer kar-
eine Herzultraschalluntersuchung zur genauen Abschätzung des Ausmaßes dialen oder extrakardialen Grunderkrankung, die stets im Rahmen der
der Beeinträchtigung von Herzstrukturen. Hier ist je nach Befund eine tauchmedizinischen Untersuchung beachtet werden muss. Sie ist häufig
Tauchtauglichkeit gegebenenfalls nicht mehr gegeben. das Resultat einer hypertensiven Herzerkrankung (s. o.), einer koronaren
Herzkrankheit (s. u.) oder von Klappenerkrankungen. Die Leistungs-
HERZRHYTHMUSSTÖRUNGEN (HRS) fähigkeit des Herzens vom Organismus entsprechend benötigtes Blut-
lassen sich in tachykarde (schnelle) und bradykarde (langsame) Herzrhyth- volumen zu pumpen, ist eingeschränkt. Symptome sind unter anderem
musstörungen einteilen. Der prominenteste Vertreter tachykarder HRS ist Luftnot, mangelnde Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit, Kopfschmer-
das Vorhofflimmern, eine nicht rhythmische und häufig mit Tachykardie zen, Müdigkeit und geschwollene Unterschenkel aufgrund von Ödemen
einhergehende Störung der Erregungsbildung und Erregungsweiterleitung (Wassereinlagerung in umgebendes Gewebe). Die Gefahr beim Tauchen
des Herzens. Im Falle von medikamentös kontrolliertem Vorhofflimmern mit eingeschränkter Pumpfunktion des Herzens liegt im Auftreten eines
mit normaler Herzfrequenz ist eine Tauchtauglichkeit gegeben. akuten Herzversagens mit Lungenödem, kardiogenem Schock und
In jedem Fall sollte zur Attestierung einer Tauchtauglichkeit neben dem bedrohlichen Herzrhythmusstörungen bis zum plötzlichen Herztod.
Ruhe-EKG auch ein Belastungs-EKG veranlasst werden, um das Vorhof- Ein akutes Herzversagen kann in diesem Kontext durch Immersion,
flimmern auch unter Belastung, wie sie ja allein durch die Immersion beim körperliche Überanstrengung beim Tauchen, hypertensive Krisen (s. o.)
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