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kletterte auf deren Deck, um sie leichter zu
finden. Dennoch dachte er: "Hier wird mein
Leben enden", und er bemerkte einen er-
höhten Atemwiderstand und berichtet: "Ich
spürte es kommen ... und dann: nichts", das
heisst er verlor das Bewusstsein. Ab diesem
Zeitpunkt dürfte das Atemminutenvolumen
stark reduziert gewesen sein, wahrscheinlich
vergleichbar mit dem von Patienten unter
Narkose.
Viertens: Der respiratorische Wärmeverlust
wurde auf der Grundlage des eingeatmeten
Heliox berechnet. Das Einatmen dieses Gases
führt zu einem respiratorischen Wärmever-
lust, der wesentlich höher ist als der konduk-
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tive Wärmeverlust. Zum Zeitpunkt der Ret-
tung von Dc wurde eine Kerntemperatur von
28,8 bis 27,2 Grad Celsius berechnet, je nach
den getroffenen Annahmen. In Übereinstim-
mung mit der Literatur sind diese Werte mit
hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Bewusst-
seinsstörung bzw. einem Bewusstseinsverlust
in Verbindung zu bringen. Da keine tiefe Be-
wusstlosigkeit vorlag, vermuten wir, dass die
beiden tiefen Atemzüge des Bootsmanns die
Depression des Atemzentrums verringerten,
so dass sich die Atmung schnell normalisier-
te. Infolgedessen zeigte Dc bald feinmotori-
sche Fähigkeiten und die Fähigkeit zu spre-
chen.
Fünftens: Nach der Verlegung von Dc auf die
Bohrschablone sind die Handlungen von D2
und dem Bootsmann als vorbildlich zu be-
zeichnen, insbesondere der Einsatz von D2,
der das Opfer schließlich zur Glocke brachte,
wo diese potenzielle Katastrophe ein glück-
liches Ende fand.
Sechstens: Ein positiver Aspekt von Helium
muss erwähnt werden, denn dieses Gas ist
nur in einem physikalisch-chemischen Sinne
inert. Stattdessen übt es in biologischen Ge-
weben neuroprotektive Eigenschaften aus,
die bei hypoxischen Bedingungen zum ge-
sunden Überleben beigetragen haben könn-
Sie haben die ganze Geschichte gelesen und sich ten. Ein solcher Effekt könnte bei erhöhten
dabei vorgestellt wie es dem Taucher ergangen raum von 33 Minuten ausreichend gewesen. Heliumpartialdrücken noch ausgeprägter ge-
ist? Dann intersssiert Sie sicher auch der britische Aufgrund des ersten und zweiten Ansatzes wesen sein.
Dokumentarfilm zu dieser geschichte - auch wenn sind wir zuversichtlich, dass Dc nicht an Nimmt man diese sechs Umstände zusam-
die Realität von anderen Voraussetzungen aus- Hypoxie gelitten hat. Nach seiner Rettung men, so ist das gesunde Überleben von Dc
gegangen ist.
in der Taucherglocke wies er also keine hyp- kein Wunder mehr, denn es lässt sich anhand
oxiebedingte neurologische Schädigung auf. von zuverlässigen Daten überzeugend erklä-
Drittens: Zum Zeitpunkt des Vorfalls verfüg- ren. Ein nur fünfminütiger Verbleib mit einer
te Dc bereits über eine zehnjährige Erfahrung ausreichenden Atemgasversorgung hätte
als Berufstaucher. Unmittelbar nachdem die nicht zu einem Wunder, sondern zum Ersti-
Nabelschnur durchtrennt wurde, soll er in ckungstod geführt. Dennoch lag die Grenze
Panik geraten sein. Offenbar beruhigte er für einen gesunden Ausgang wahrscheinlich
sich, suchte nach der Bohrschablone und- sehr nahe.
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