IM AUGE DES SCHWARMS – VON FISCHEN, DEM MEER UND DEM LEBEN

Berufsbedingt musste und durfte ich schon viele Bücher zu diesem Themenkreis lesen. Nun also Helen Scales‘ „Im Auge des Schwarms“. Zehn im Anhang genauer erklärte, meist historische schwarz/weiß Tafeln leiten jeweils eines der inhaltsreichen und spannend geschriebenen Kapitel ein. Schon im einleitenden Prolog, in dem die Autorin ihre Gedanken zum Thema Fische darlegt zeigt sich ihr Vorteil, Meeresbiologin, Taucherin,
erfolgreiche BBC Dokumentarin, Buchautorin und im Wissenschaftsbetrieb von Cambridge eingebunden zu sein. Mit diesem reichen Erfahrungs- und Erlebnisfundus wendet sich Helen Scales im ersten Kapitel den Fisch-Kuriositäten zu. Hier und in allen nachfolgenden Kapiteln vermischt die Autorin geschickt Wissenschafts- und Entdeckungsgeschichte mit biologischen Fakten, die sie auch für Laien verständlich und oft mit Fakten bekannter Landlebewesen im Vergleich erläutert. Ein Blick in die Tiefe, der gleichzeitig eine Einführung in die Evolutionsgeschichte und den sich daraus ergebenden
Stammbaum der Fische ist. Der unglaublichen Farbenperformance der Fische ist das nächste Kapitel gewidmet. Tarnung, geschlechtsspezifische Wechsel von Farbe und Muster stehen hier im Vordergrund der Betrachtungen. Da all dies auch eine Rolle in der Kommunikation der Fische spielt, ist das nächste Kapitel dem Leuchten als Signalmittel der Fische gewidmet. Auch hier findet man wieder spannende, experimentelle Hintergründe, die die oft einfach wirkende Forschung auf dem Weg zu neuen Erkenntnissen schildert, wenn man erst einmal den richtigen Ansatz gefunden hat. Dem
Titel gebenden Thema der Schwarmbetrachtung ist das fünfte Kapitel gewidmet. Egal ob als Schutz vor dem Gefressenwerden oder als Fortpflanzungstreffen, Schwärme und ihre Bewegungsvariationen liefern ein spannendes Beobachtungsfeld, dem mit dem Titel „Fischfutter“ nahezu logisch die Thematik Fressen und Gefressenwerden folgt.
Gegen das Gefressenwerden helfen die Gifte der Fische, denen das nächste Kapitel gewidmet ist. Eingebunden sind auch hier wie in allen Kapiteln die Forschungsarbeiten von bekannten Tauchsportpersönlichkeiten und Meeresforschern, die den Leser fast direkt an all den Fragestellungen und Beobachtungen teilnehmen lassen. Doch auch der Fantasie der Autorin mit einer Zeitmaschine ins 380 Millionen Jahre zurückliegende Devon
zu folgen, um zu ergründen, „Wie Fische früher waren“ schließt man sich gerne an um längst ausgestorbenen Arten zu begegnen. Dass dies alles keine schweigende Welt war, geschweige denn ist, macht Helen Scales im Kapitel der Fischsymphonien klar. Dass dies alles nach Ansicht der Autorin dazu führen muss, Fische neu zu denken als fantastische
Hochleistungsentwicklungen in der ihnen eigenen Umwelt wird schon in den ersten Kapiteln deutlich. Diese Buch ist eines der wissenschaftlich vielseitigsten Werke über Fische, fakten- und anektotenreich, mit ausführlichen Glossar und Register und einer Auswahl weiterführender Literatur. Um auf meine Eingangsbemerkung zurückzukommen.
„Im Auge des Schwarms“ ist ein Buch, bei dem ich froh bin, dass ich es lesen durfte und das man allen an der Natur und Wissenschaftsgeschichte Interessierten nur empfehlen kann. Kein Taucher sollte es versäumen seinen Erlebnishorizont mit diesem Buch zu erweitern.

Helen Scales: Im Auge des Schwarms – Von Fischen, dem Meer und dem Leben. Folio Verlag Bozen 1. Auflage März 2020. Hardcover, 358 Seiten, 11 Abb., 14,1 x 3,8 x 21,6 cm. Keine Fremdwerbung, € 25,– ISBN 978-3852568065

 

 

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